Montags muss ich immer kotzen – Ein Gastbeitrag von Anja Niekerken über Sinn und Unsinn unserer Jobwahl
„Finde einen Beruf den Du liebst und Du musst keinen Tag mehr arbeiten“: Puuuh… da schlafen auch Anja Niekerken die Füße ein. Die Autorin, Vortragsrednerin, Persönlichkeitstrainerin und Expertin für Natural Leadership stellt fest: So einfach ist es dann doch nicht. Trotzdem (oder gerade deshalb!) finden sich in ihrem Buch „Montags muss ich immer kotzen – Erste Hilfe gegen Arbeitsübelkeit“ wertvolle Tipps, um kräftig an der Zufriedenheit im Job zu schrauben. Anjas Perspektive auf dieses Thema findet Ihr hier in ihrem Gastbeitrag.
Montags muss ich immer kotzen: Erste Hilfe gegen Arbeitsübelkeit
Wenn wir heute über Arbeit oder „Neudeutsch“ unsere Jobs sprechen, dann gibt es in der Regel zwei Fraktionen: Die, die ihren Job lieben oder zumindest so motiviert sind – aus welchen Gründen auch immer – dass ihnen Motivation aus Ohren, Mund und Nase schießt. Und dann gibt es die Fraktion, die muss montags nicht immer, aber zumindest regelmäßig kotzen.
Dafür gibt es natürlich die verschiedensten Gründe. Alle zu behandeln, würde hier den Rahmen sprengen, also habe ich einen der Wichtigsten mal raus gepickt.
Wer seinen Traumjob finden will, muss die richtigen Fragen stellen!
Schauen wir uns zunächst einmal an, wie wir in der Regel unseren Job wählen: Da geht es oft schon los mit einer Spirale ungünstiger Entscheidungen. Und bitte, wir sprechen hier nicht über den Rand des Existenzminimums, in dem man jeden Job annehmen muss. Wir sprechen hier über „Was soll ich studieren“ bzw. „Ich bin gut ausgebildet – auf geht’s ins Arbeitsleben“ oder „Ich finde meinen Job zum speien, vielleicht könnte ich was Neues ausprobieren.“ Worüber denken wir nach? Was sind Auswahlkriterien? Was müsste der Job uns bieten?
Klar: Ein gutes Gehalt – um darauf zu kommen braucht mich und diesen Beitrag niemand.
Was noch?
Urlaubstage, Kantine, Zuschüsse für Sport oder für die öffentlichen Verkehrsmittel…
Und natürlich unsere Vorstellungen darüber, wie der Job so ungefähr ablaufen soll – zumindest, wenn wir frisch von der Schule, der Uni oder aus der Ausbildung kommen. Aber auch bei einem Jobwechsel lesen wir uns die Jobbeschreibungen genau durch und denken „Das klingt gut. Das könnte mir Spaß machen.“ Wenn all diese Punkte mit einer für uns zufriedenstellenden Antwort versehen sind, dann glauben wir, wir würden in unserem Job glücklich und entscheiden uns dafür. Naja… Ziemlich unwahrscheinlich, denn das sind nicht die Parameter, die uns laut wissenschaftlicher Studien zufrieden machen.
Was glaubst Du ist der Nummer 1 Glücksbringer im Job?
Sinn!
Laut einer Studie der Harvard Business Review sind Menschen, die einen Sinn in ihrem Tun sehen zufriedener, engagierter und bleiben mit einer dreimal höheren Wahrscheinlichkeit ihrem Unternehmen treu. Außerdem werden sie seltener krank. „Moment mal“ werden jetzt einige denken: Gerade hat sie doch noch gesagt, dass es nicht damit getan ist, eine Tätigkeit zu finden die man gern macht und dann müsse man keinen Tag mehr arbeiten! Ja, was denn jetzt? Richtig, denn Sinn und eine Tätigkeit, die einem Spaß macht, sind nicht zwingend dasselbe! Wenn Dir Beispielsweise das Lesen von Kriminalromanen Spaß macht, dann muss das nicht zwingend eine sinnvolle Tätigkeit sein. Es sei denn, der Sinn Deines Tuns besteht darin, Sprache und Logik des Romans zu überprüfen. Also als Lektor zu arbeiten. Dann müsstest Du allerdings mehrere Bücher pro Woche lesen und das nicht bloß zur eigenen Unterhaltung. Merkst Du, worauf ich hinaus will?
Glauben wir der Wissenschaft – und ich tendiere in der Regel dazu – dann ist die Antwort auf die Frage „Was macht uns im Job glücklich und zufrieden“ ganz banal: Nette Kollegen, eine gute Führungskraft und eine Beziehung zu dem was man tut. Eben Sinn. All das findet sich in keiner Stellenbeschreibung! Und kaum jemand kommt auf die Idee sich seinen Job nach den Kollegen oder nach dem Chef auszusuchen, obwohl Chef und Kollegen zu den Top 3 Kündigungsgründen zählen! Mit anderen Worten: Wir suchen uns unseren Job nach der Aufgabe aus, kündigen dann aber wegen ganz anderer Faktoren. Ein guter Chef und nette Kollegen machen häufig zufriedener, als alles andere. Der Sinn kommt nachgelagert und manchmal ganz von selbst. Der sinnvollste Job macht keinen Spaß, wenn der Chef blöd und die Kollegen dämlich sind.
Damit wir uns richtig verstehen: Sinn ist nicht zwingend etwas Sinnvolles im Sinne des gesellschaftlichen Verständnisses. Arzt- und Pflegeberufe haben sicherlich nach gesellschaftlichem Verständnis mit die höchste Sinnhaftigkeit im Tun. Sehr viele Menschen dieser Berufsgattungen sehen das aber nicht so oder nicht mehr so. Einer der Gründe, warum diese Berufsgattung mit eine der höchsten Burnoutquoten hat. Klar spielt Druck eine Rolle, aber es ist nur ein Faktor! Sinn ist ein anderer. Und wer den Sinn in seinem Tun nicht findet, der hat eine wesentlich höheres Burnoutrisiko unter Druck als jemand, dem sein Tun sinnvoll erscheint. Nochmal zurück: Sinn kann nur jeder für sich selbst definieren. Wie heißt es in der Bibel? Suchet, so werdet ihr finden. Die Frage ist nur: Wonach mache ich mich auf die Suche?
Glück ist etwas zufälliges, aber das Glück liebt hartnäckige Menschen
Jaaaaa… Denken an dieser Stelle viele, es gibt schließlich Jobs, die sind schlicht und ergreifend so bescheiden, dass das mit dem Sinn nicht so einfach ist. Das mag sein, aber alles ist immer nur so gut oder so schlecht, wie wir es selbst machen.
Es ist schon eine ganze Weile her, da gab es hier in Hamburg noch die Diskothek „Madhouse“ am Valentineskamp. Der Laden war ziemlich klein und vermutlich immer total überfüllt. Ebenso wie die insgesamt vier Toiletten. Zwei für Jungs und zwei für die Mädels. Zwischen den zwei Abteilungen gab es ein kleines Kabuff für die Toilettenfrau. Dort arbeitete Halina. Nun ist Toiletten putzen in einer Disko wirklich kein Traumjob. Abgesehen vom Arbeitsplatz sind auch die Arbeitszeiten nicht der Hit. Aber Halina war die gute Seele in dem Laden. Alle Stammgäste bogen immer erst einmal nach oben zu den Toiletten ab, um sie zu begrüßen und selbstverständlich verabschiedete man sich von ihr. Sie kannte die Gäste nicht nur mit Namen, sie kannte auch ihre Geschichten und hatte immer Zeit für einen Schnack. Halina wurde von allen geliebt und gemocht. Sie hat wenig verdient. Ihr Job war im wahrsten Sinne des Wortes „Scheiße“ aber Halina mochte Menschen. Sie hat sich gern mit Menschen unterhalten und sie hat Menschen gern Gutes getan. Und sie hat es verstanden, diesen Sinn in ihrem Job zu finden.
Glück bei der Arbeit ist sicherlich auch etwas Zufälliges. Aber das Glück liebt hartnäckige Menschen. Und eines sollten wir uns auch immer vor Augen führen: Wir sind nicht für immerwährendes Glück gemacht! Unsere biologische Hülle gibt das gar nicht her! Trotzdem soll unsere Arbeit dies leisten. Eine Erwartung, die manchmal etwas sehr hoch angesetzt und unrealistisch ist.
Der Weg ist das Ziel. Aber ohne Ziel kein Weg!
An dieser Stelle schaue ich oft auf zusammen gepresste Unterkiefer. Immer mit der Ruhe! Ich liebe meinen Job ja auch, aber es ist eben nicht so einfach. Der Leistungssport kommt da wesentlich realistischer daher:
Ich nehme mal die Extremsportarten als Beispiel, zum Beispiel das Extremklettern. Wenn Du Bücher über diese Sportart liest, dann sind das keine Bücher, aus denen die Freude Dich auf jeder Seite anspringt. Im Gegenteil: Von Seite zu Seite wird die Qual unerträglicher, das Elend größer. Zehen frieren ab. Die Nase auch und atmen konnte der Autor schon 20 Seiten vorher kaum noch, jetzt sammelt sich vielleicht auch noch Wasser in seiner Lunge. Ganz fiese Autoren beschreiben dann auch noch, dass sie auf dem Gipfel nicht das Glück gefunden haben. Na toll. Und trotzdem machen sie sich wieder auf zum nächsten Gipfel. Niemand steigt auf Berge, um am Gipfel glücklich zu sein. Es geht ums klettern an sich! Ich reite auch nicht aus, um wieder am Stall anzukommen: Es geht um das Erlebnis!
Es geht uns auch um Herausforderungen: Herausfordernde Ziele wecken unseren Ehrgeiz. Und mit jeder Herausforderung lernen wir, wachsen wir über uns hinaus. Aber es geht nicht um das Ziel: Es geht um die Freude am Tun auf dem Weg. Ziele definieren unseren Weg, trotzdem ist der Weg das Ziel: Dein persönliches „Warum“ ist Dein Ziel! Und bitte: Sei Dir darüber im Klaren, dass das offensichtliche Warum in der Regel nur eine Fata-Morgana ist.
Drei Tipps, die Du aus diesem Beitrag für Dich mitnehmen kannst:
Erstens: Frag Dich: Was kann ich wirklich gut? Was geht mir leicht von der Hand? Was ist meine Begabung?
Zweitens: Warum tue ich, was ich tue? Und höre nicht mit dem Fragen bei der Antwort auf „Weil es Spaß macht“ Das reicht nicht. Frag weiter: Warum macht es Spaß? Was genau daran macht mir Spaß? Fühle ich mich in meinem Arbeitsumfeld wohl? Mag ich meinen Chef und meine Kollegen? Und dann kommst Du Deiner persönlichen Antwort sicherlich ein Stück näher.
Drittens: Welchen Sinn macht es? Was gebe ich der Gesellschaft mit meinem Tun zurück?
Und noch ein letzter Tipp: Glück ist etwas Temporäres. Freu Dich, wenn es da ist und sei nicht betrübt, wenn es geht. Wink ihm gelassen hinterher und freue dich auf seinen nächsten Besuch. Je gelassener Du bist, umso häufiger kommt es zurück. In diesem Sinne: Bleibe gelassen und heiter auch am Montag.
Was macht Dich glücklich in Deinem Job? Hast Du Deinen Traumjob schon gefunden? Und wenn ja: Wie? Schreib es uns in den Kommentaren!
Mehr Infos zu Anja Niekerken und Ihrem neuen Buch gibt’s hier!